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ERC Grants: Hochdotierte Förderung für fünf LMU-Forschende

09.12.2025

Fünf Forschende haben mit der LMU Consolidator Grants des Europäischen Forschungsrats eingeworben. Ihre Projekte beschäftigen sich mit Klimawandel, Schlaganfällen, Quantenphysik, Mitochondrien und Krebsdiagnostik.

Fünf Forscherinnen und Forscher der LMU haben erfolgreich je einen Consolidator Grant eingeworben. Mit der Auszeichnung fördert der Europäische Forschungsrat (ERC) exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit bis zu zwei Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren dabei, ihre innovative Forschung weiter auszubauen und zu konsolidieren.

In der Bewilligungsrunde erfolgreich waren der Quantenphysiker Dr. Christian Schilling, die Radiologin und Neurowissenschaftlerin Professorin Sophia Stoecklein, der Klimaforscher Professor Matthias Garschagen, der Schlaganfall-Experte Professor Arthur Liesz und der Biochemiker Professor Lucas Jae.

Prof. Dr. Matthias Tschöp, Universitätspräsident der LMU, gratuliert: „ERC Consolidator Grants werden an Forschende vergeben, die in der Lage sind, bedeutende wissenschaftliche Durchbrüche zu erzielen und die Forschungslandschaft zu prägen. Dass das European Research Council immer wieder und jetzt fünf neue dergestalt herausragende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an der LMU sieht, freut mich sehr! Dies zeigt, dass wir auf vielen Feldern exzellente Forschung betreiben.“

Die vom ERC geförderten Projekte im Einzelnen

Neue Wege zur Darstellung von Hirnnetzwerken bei Krebserkrankungen

Professorin Sophia Stoecklein ist Radiologin und Neurowissenschaftlerin an der Klinik und Poliklinik für Radiologie am LMU Klinikum. Das Hauptziel ihrer Forschungsarbeit ist die Entwicklung und Validierung von Biomarkern auf Basis der funktionellen Magnetresonanztomographie (MRT), die personalisierte Diagnose- und Behandlungsstrategien für Menschen mit neurologischen Erkrankungen ermöglichen.

Die neurowissenschaftliche Tumorforschung hat gezeigt, dass bösartige Hirntumoren wie das Glioblastom nicht isoliert wachsen, sondern weit über die sichtbare Läsion in hirnweite neuronale Schaltkreise eingreifen. Sie bilden synaptische Verbindungen zu Nervenzellen und nutzen deren Aktivität, um ihr Wachstum zu fördern. Diese Netzwerkprozesse beeinflussen den Krankheitsverlauf maßgeblich.

Professorin Sophia Stoecklein

Professorin Sophia Stoecklein | © Matthias Francke / LMU Klinikum

Bislang gibt es jedoch kein Bildgebungsverfahren, das diese Erkenntnisse in die klinische Praxis übersetzt. Mit ihrem ERC-Consolidator-Projekt CONNECT (Cutting-Edge Neuroimaging for Functional Brain Network Evaluation in Cancer Patients) will Sophia Stoecklein die sogenannte funktionelle Konnektivitäts-MRT als quantitatives Bildgebungsverfahren für die Anwendung in der Krebsdiagnostik etablieren.

Im Zuge des Projekts wird eine umfassende Referenzdatenbank aus Tausenden MRT-Datensätzen aufgebaut. Darauf basierend wird ein KI-gestütztes Verfahren entwickelt, das Abweichungen in den Hirnnetzwerken einzelner Patientinnen und Patienten erkennt, kartiert und quantifiziert. Ergänzend untersucht das Team, welche biologischen Mechanismen hinter diesen Auffälligkeiten stehen – etwa durch die Analyse von Faserbahnen und molekularer Signaturen aus gezielt entnommenen Tumorproben. In zwei klinischen Kohorten wird schließlich das klinische Potenzial des Verfahrens aufgezeigt.

Da Netzwerkveränderungen oft auftreten, bevor ein Tumor sichtbar wächst, könnte CONNECT helfen, Progress oder Metastasenbildung früher zu erkennen. Zudem lassen sich Regionen identifizieren, in denen die Interaktion zwischen Tumor und Gehirn besonders stark ausgeprägt ist – ein möglicher Ansatzpunkt für künftige präzisere und netzwerkorientierte Therapien.

„Wir konzentrieren uns oft auf das, was wir sehen können – dabei passiert Entscheidendes im Unsichtbaren. CONNECT soll die Kommunikation zwischen Tumor und Gehirn sichtbar und damit für Diagnostik und Therapie nutzbar machen,“ sagt Stoecklein. „Unser Bildgebungsansatz lässt sich möglicherweise auf weitere Netzwerkerkrankungen des Gehirns wie die Alzheimer-Demenz ausweiten.“

Konkrete Ziele für die Klimawandelanpassung

Professor Matthias Garschagen ist Inhaber des Lehrstuhls für Anthropogeographie mit dem Schwerpunkt Mensch-Umwelt-Beziehungen und koordinierender Leitautor des Sonderberichts des Weltklimarats (IPCC) zu Klimawandel und Städten.

Die Auswirkungen des Klimawandels nehmen stark zu – und die derzeitigen Anpassungsmaßnahmen sind nicht schnell und tiefgreifend genug. Dies gilt besonders für Gebiete, in denen die Grenzen der Anpassung erreicht werden, wie etwa Küstenstädte. Ob und wie konkrete Anpassungsziele – wie man sie aus der Emissionsminderung und anderen Politikbereichen kennt – die Situation verbessern können, ist immer noch unklar. Ebenso existiert keine wissenschaftliche Methode zur Bewertung und Festlegung solcher Ziele, obwohl dies zunehmend gefordert wird.

Professor Matthias Garschagen

Mit seinem Projekt GOALT (Goals and targets for climate change adaptation: Risks, opportunities, design, application and impact) will Garschagen diese Lücken schließen. Zunächst soll ein neuer theoretischer Rahmen entwickelt werden, der aufzeigt, unter welchen Bedingungen konkrete Ziele die Klimawandelanpassung beschleunigen und verbessern können.

Zudem will Garschagen wegweisende empirische Erkenntnisse gewinnen, wie Akteure Ziele aushandeln und umsetzen – gestützt auf eine erstmals durchgeführte globale Erhebung sowie vertiefte Analysen und innovative Simulationen am Beispiel der vier Küstenstädte Hamburg, Mumbai, Manila und Kapstadt.

Darauf aufbauend soll ein integriertes Modell entwickelt werden, das die Machbarkeit potenzieller Ziele sowie deren Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung und Umsetzung prüft. Gleichzeitig soll im Rahmen des Projekts die erste umfassende Methodik zur wissenschaftlichen Unterstützung von Zielsetzungsprozessen für die Klimawandelanpassung erarbeitet und deren Übertragbarkeit auf weitere Kontexte untersucht werden. „Die Ergebnisse von GOALT sollen zu einem neuen Maßstab in der Anpassungsforschung werden und einen Paradigmenwechsel in Politik und Praxis ermöglichen“, sagt Garschagen.

Neuer Ansatz, um Elektronenstruktur von Materialien zu berechnen

Dr. Christian Schilling leitet an der Fakultät für Physik der LMU seit 2019 die Arbeitsgruppe für Theoretische Quantenphysik, ist Mitglied im Exzellenzcluster MCQST und leitet das Konsortium Quantum Algorithms im Rahmen des Munich Quantum Valley. In seiner Forschung arbeitet er an grundlegenden und zukunftsweisenden Fragestellungen der Quanteninformation, Quantenchemie, Mathematischen Physik und des Quantencomputings.

Die Dichtefunktionaltheorie (DFT) gilt als zentrales Werkzeug, um grundlegende Eigenschaften von Molekülen oder Festkörpern zu berechnen, etwa ihre Elektronenstruktur. Sie ist sowohl für die Grundlagenforschung als auch für industrielle Anwendungen wichtig. Allerdings hat sie Schwächen: Stark korrelierte Vielteilchensysteme kann sie nicht zuverlässig beschreiben – eine Einschränkung, die zu unvorhersehbaren Eigenschaften und Verhaltensweisen führt. Dies erschwert die Entwicklung neuartiger Materialien, etwa für die Energieerzeugung oder die Mikroelektronik.

Dr. Christian Schilling

Dr. Christian Schilling | © Christoph Hohmann

Mit seinem ERC-Projekt beyondDFT (Systematic Framework of Functional Theories for Strongly Correlated Electrons) verfolgt Schilling einen neuen Ansatz und setzt auf die Einteilchen-Reduzierte-Dichtematrix-Funktionaltheorie (1RDMFT). Dieser Ansatz beschreibt die Elektronenstruktur von Materialien auf neue Weise. Grundlage ist ein von Schilling über die vergangenen Jahre entwickeltes theoretisches Rahmenwerk, das bestehende Funktionaltheorien verfeinert und neue effizient konstruiert. Es bietet einen klaren Weg zur Einbeziehung des Elektronenspins und zeigt, wie wichtige angeregte Zustände gezielt zugänglich werden.

Für sein Modell nutzt Schilling konzeptionelle Fortschritte in der 1RDMFT sowie innovative Methoden aus der Verschränkungstheorie. So möchte er zunächst genauere Funktionale für Grundzustände entwickeln und darauf aufbauend Modelle für angeregte Zustände schaffen. Zudem plant er ein Verfahren, das quantenmechanische Korrelationen komprimiert, 1RDMFT-Algorithmen deutlich beschleunigt und damit die Rechenkosten senkt.

„BeyondDFT bereitet einen grundlegenden Wandel in der Elektronenstrukturtheorie vor“, sagt Schilling. „Das Rahmenwerk hat das Potenzial, sich als neues Standardwerkzeug der Elektronenstrukturberechnung in Physik, Chemie und Materialwissenschaften zu etablieren.“

Wie Mitochondrien Alarm schlagen

Der Biochemiker Lucas Jae ist W2-Professor für funktionelle Genomik am Genzentrum der LMU. In seiner Forschung untersucht er die Funktion von Mitochondrien – den Kraftwerken der Zelle – und deren Rolle bei menschlichen Krankheiten.

Die steigende Lebenserwartung des Menschen und die damit verbundene Zunahme altersbedingter Erkrankungen gehören zu den größten gesellschaftlichen Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Mitochondrien spielen dabei eine Schlüsselrolle: Zwar besitzen sie ein eigenes Erbgut, sind jedoch auf eine enge Kommunikation mit ihrer Umgebung innerhalb und außerhalb der Zelle angewiesen, damit Störungen der Mitochondrienfunktion effektiv erkannt und behoben werden können.

Professor Lucas Jae

Professor Lucas Jae | © Uwe Dettmar

Lucas Jae hat mit seiner Forschung erstmals einen Weg zur systematischen Untersuchung der Stressreaktion menschlicher Mitochondrien eröffnet. Durch die Kombination genomweiter Screens mit Methoden der synthetischen Biologie und der Biochemie ist es ihm gelungen, den entscheidenden Signalweg zu identifizieren, der mitochondriale Störungen übermittelt. In seinem neuen ERC-Projekt mitoSCALES (Scales of Mitochondrial Stress Response) will Jae nun die molekularen Auslöser dieses Signalwegs sowie das biochemische Zusammenspiel seiner Komponenten und deren Verknüpfung mit anderen zellulären Prozessen aufklären – eine wichtige Voraussetzung, um die Rolle dieser mitochondrialen Stressreaktion bei menschlichen Erkrankungen zu entschlüsseln.

Im Einzelnen wird Jae untersuchen, wie sich Zellen nach mitochondrialem Stress funktionell verändern und wie dies ihr Schicksal beeinflusst. Dabei will er insbesondere die Wechselwirkung mit einer zweiten mitochondrialen Stressreaktion untersuchen und prüfen, wie sich deren Balance anpassen lässt, um die Resilienz der Zelle zu stärken. Zudem will Jae neue Ansätze für die Untersuchung mitochondrialer Stresssignale und -reaktionen zwischen verschiedenen Zellen mithilfe genomischer Methoden entwickeln. „Unser Ziel ist es, aus der grundlegenden Analyse der mitochondrialen Stressreaktionen eine Basis für die Entwicklung biomedizinischer Anwendungen zu schaffen, die die gesunde Lebensspanne verlängern könnten“, sagt Jae.

Fehlgeleitetes Gedächtnis

Professor Arthur Liesz ist Leiter der Arbeitsgruppe Schlaganfall-Immunologie am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung am LMU Klinikum und Mitglied des Exzellenzclusters SyNergy. In seiner Forschung beschäftigt er sich insbesondere mit dem Zusammenspiel zwischen Gehirn und Immunsystem nach einem Schlaganfall.

Ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall hinterlassen häufig Spuren, die weit über das betroffene Organ hinausreichen – und das Immunsystem spielt dabei eine überraschend aktive Rolle. Ein noch junges Konzept der Immunologie, die sogenannte trainierte Immunität (TRIM), zeigt, wie das angeborene Immunsystem ein Gedächtnis ausbildet und so nach einer Verletzung dauerhaft Entzündungsprozesse antreiben kann.

Arthur Liesz

Professor Arthur Liesz | © Boris Schmalenberger

Wird dieses Gedächtnis fehlgeleitet, entstehen systemische Reaktionen, die weitere Organe beeinträchtigen. Obwohl TRIM zunächst im Zusammenhang mit Infektionen entdeckt wurde, zeigt sich zunehmend, dass auch sterile Verletzungen wie Herzinfarkt oder ischämischer Schlaganfall solche anhaltenden Immunveränderungen auslösen.

Arthur Liesz hat in seiner Forschung bereits gezeigt, dass diese Verletzungen epigenetische Umbauprozesse in den Stamm- und Vorläuferzellen des Knochenmarks in Gang setzen. Dadurch bleibt das Immunsystem in einem dauerhaften Aktivierungsmodus, der Funktionsstörungen in weiteren Organen verschlimmern kann. Mit seiner Expertise aus Immunologie, Neurowissenschaften, Kardiologie und klinischer Medizin sowie modernsten Technologien will Liesz nun im Rahmen seines ERC-Projects TRAINED (The Role of Trained Immunity in Brain-Body Communication and Secondary Organ Dysfunction) die zugrunde liegenden Mechanismen systematisch entschlüsseln.

Im Mittelpunkt steht die Frage, wie genau sterile Gewebeschäden das Milieu im Knochenmark verändern, welche krankheitsspezifischen Muster sich dabei zeigen und inwiefern fehlgeleitete TRIM tatsächlich für sekundäre Organstörungen verantwortlich ist. Zugleich wird geprüft, welche Bedeutung diese Prozesse für die menschliche Gesundheit haben. „TRAINED soll damit TRIM als zentralen Krankheitsmechanismus bei sterilen Verletzungen etablieren und jene molekularen Schaltstellen identifizieren, die Multimorbidität begünstigen“, sagt Liesz. „Wir wollen damit den Weg zu neuen Therapien ebnen, die verhindern, dass schädliche immunologische Signale von einem verletzten Organ auf andere übergreifen.“

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